Warum Waffenexporte nicht funktionieren

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ISIS-Flagge mit dem ersten Teil der Schahāda und dem Siegel Mohammeds

Waffenexporte funktionieren nicht! Sie sind kein geeignetes Mittel, um einen bewaffneten Konflikt nachhaltig zu lösen.

Dessen ungeachtet praktizieren die USA aktuell genau das: Waffenexporte an Irak, um Bagdad im Kampf gegen die islamistisch-terroristische Organisation „Islamischer Staat im Irak und der Levante [Syrien]“ (ISIS) zu unterstützen. Die Organisation, die ihren Ursprung im irakischen Widerstand hat und sich früh zu al Qaida bekannte, warum sie auch als „al Qaida im Irak“ (AQI) bekannt ist, hat es mittlerweile geschafft, Teile des Nordwestens des Irak und des Nordens und Nordostens Syriens unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Nach Informationen der New York Times umfasst das US-Hilfspaket

„a shipment of 75 Hellfire missiles, delivered to Iraq last week. The weapons are strapped beneath the wings of small Cessna turboprop planes, and fired at militant camps with the C.I.A. secretly providing targeting assistance. In addition, 10 ScanEagle reconnaissance drones are expected to be delivered to Iraq by March“.

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„Hellfire“-Rakete unter einer Predator-Drohne

Wie Spiegel Online berichtet, planen die USA zudem weitere „Hellfire„-Raketen und Aufklärungsdrohnen an Bagdad zu liefern.

Auf die Idee, dass sich diese Waffen auch gegen die eigenen Interessen richten könnten, darauf scheint man in Washington bislang nicht gekommen zu sein. Und dabei gibt es zumindest drei Beispiele, die in der (weiteren) Region und der jüngeren Vergangenheit spielen, und aus denen man eine einfache Lehre ziehen kann: Waffenexporte lassen sich nicht kontrollieren!

1. Beispiel: Afghanistan

Unter dem Decknamen „Operation Cyclone“ haben die USA den Widerstand der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjetunion in den 1980er Jahren bewaffnet, trainiert und finanziert. „Operation Cyclone“ gilt als einer der längsten und teuersten CIA-Operationen; so haben die USA allein im Jahr 1987 etwa 630 Millionen Dollar in den Kampf der Mudschaheddin investiert. Unter Präsident Ronald Reagan erhielten die Mudschaheddin auch Man PADS (“Man Portable Air Defense“-Systeme), tragbare Luftabwehrwaffen, wie die „FIM-92 Stinger„. Neben den USA hat sich vor allem auch Saudi-Arabien an der Finanzierung der Waffenlieferungen für die Mudschaheddin beteiligt. Die Waffen, die von China, Ägypten, aber auch Israel, den USA oder auch Großbritannien zur Verfügung gestellt wurden, wurden nach Pakistan geliefert, von wo aus sie der pakistanische Geheimdienst „Inter-Services Intelligence“ (ISI) an die Stützpunkte der Mudschaheddin weiter verteilte.

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Afghanischer Mudschahid mit MAN-PAD

Das Beispiel Afghanistan zeigt zunächst, dass Waffenexporte das Kräfteverhältnis der Konfliktparteien verändern können. Während des Afghanistan-Kriegs waren es die Man PADS, die die Wende zuungunsten der Sowjetunion brachten: Plötzlich waren die sowjetischen Kampfhubschrauber und Kampfjets verwundbar – und der Krieg war nicht mehr zu gewinnen. Am Ende blieb der Sowjetunion nur der Rückzug aus Afghanistan.

Das Beispiel Afghanistan zeigt aber auch, dass weder die Waffen, noch die erworbenen Fähigkeiten, noch die erprobten Taktiken und Strategien der Feindbekämpfung mit Ende der Unterstützung verschwinden. Das mussten die USA und ihre NATO-Verbündeten nach 2001 schmerzlich erfahren: Plötzlich befanden sie sich in der Rolle, die in den 1980ern noch von der sowjetischen Roten Armee besetzt war; einer Armee, die von einem (Groß-)Teil der Bevölkerung als Besatzer wahrgenommen und als solches bekämpft wurde.

2. Beispiel: Persien/Iran

Der Vorteil von Waffenlieferungen an eine Konfliktpartei ist: Man kann versuchen den Konflikt im eigenen Interesse zu beeinflussen ohne selbst in dem Konflikt als Partei vor Ort involviert zu sein. Diese Logik liegt auch der sog. Merkel-Doktrin zugrunde, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 9. September 2011 vor der Körber-Stiftung formuliert hat:

“Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein – dies selbstverständlich nur nach klaren und weithin anerkannten Prinzipien.”

Was in der Formulierung Merkels durchaus überzeugend klingt, nach einer Art Hilfe zur Selbsthilfe, hält dem Praxistest nicht stand. Was die deutsche Politik aus der Historie der eigenen Waffenexporte hätte wissen müssen.

So erhielt das damalige Persien unter Mohammad Reza Schah Pahlavi 1967 eine Lizenz zum Bau des deutschen G 3-Sturmgewehrs. Als der Schah 1979 durch die islamische Revolution gestürzt wurde und das Land verlassen musste, blieben die Produktionsstätten für das G 3 in der jetzt Islamischen Republik Iran zurück. 1991 lieferte Teheran, wenn auch unter eklatanter Verletzung des Lizenzvertrages, ca. 50.000 G 3-Sturmgewehre an den Sudan.

Wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in einem Bericht aus dem Jahr 2004 schreibt, sind die sog. Janjaweed-Milizen, die gezielt gegen die schwarzafrikanische Bevölkerung des Sudan vorgehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit von der sudanesischen Regierung mit den G 3-Gewehren ausgerüstet worden, die nachweislich aus iranischer Produktion stammen.

3. Beispiel: Syrien

Als sich Mitte letzten Jahres die Berichte häuften, wonach die Truppen von Baschar al-Assad auch chemische Waffen eingesetzt haben könnten, um den Widerstand der Rebellen zu brechen, haben sich die USA aber auch arabische Staaten wie Saudi-Arabien entschlossen, die syrischen Rebellen mit Waffen zu unterstützen; Washington bildet zudem tausende syrische Rebellen in Jordanien aus. Als historisches Vorbild für die militärische Unterstützung der syrischen Rebellen diente der Widerstand der Mudschaheddin gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans.

Die Entscheidung, Waffen an die Rebellen zu liefern, fiel zeitgleich mit US-Präsident Barack Obamas Zögern, sich direkt und militärisch im syrischen Bürgerkrieg zu engagieren. Damit gehorcht diese Entscheidung der gleichen Logik, die auch der Merkel-Doktrin zugrunde liegt. Gerade in Syrien aber zeigt sich erneut, wie kurzsichtig diese Annahme ist.

Unterstützt werden sollte die “Freie Syrische Armee“, von der man in Washington gemeinhin annahm, dass sie den westlichen Normen und Werten am nächsten stand. Tatsächlich aber hat sich auch die FSA laut Amnesty-Bericht vom März 2013 an folgenden Menschenrechtsverletzungen beteiligt:

“indiscriminate attacks which have led to civilian casualties; use of children in a military capacity; torture or other ill-treatment of captives; sectarian threats and attacks against minority communities perceived as pro-government; abductions and the holding of hostages.”

Und die Front der Assad-Gegner war von Anfang an weit weniger homogen, als man dies in Washington wahrhaben wollte. Neben der FSA kämpfen bis heute die „Al-Nusra-Front„, eine dschihadistisch-salafistische Organisation, die al Qaida zugerechnet wird, und die ISIS gegen das Regime Assad. Da die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppierungen, sei es die FSA und kurdische Volksverteidigungseinheiten, oder die „Al-Nusra-Front“ und ISIS, so klar nicht gezogen sind, kann bis dato niemand sagen, an wen die Waffen aus dem Ausland letztlich geliefert wurden. Im schlimmsten Fall also auch an die „Al-Nusra-Front“ und ISIS, für deren Bekämpfung die USA jetzt den Irak aufrüsten.

Zwar mag es zynisch klingen, aber die Warnung, die Assad im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unlängst formuliert hat, ist daher alles andere als abwegig: Dass die Konsequenz von Waffenlieferungen an die Rebellen der Re-Import islamistischer Terroristen nach Europa sei. Assad wörtlich: “Terroristen werden kampferfahren und mit extremistischer Ideologie ausgerüstet zurückkehren.” Eine Gefahr, die übrigens auch US-Präsident Barack Obama vor kurzem noch sah.

Und die Ironie der aktuellen Entscheidung, Waffen an Irak zu liefern? Es ist eine zweifache:

  • Erstens rüstet Washington Bagdad für den Kampf gegen syrische Rebellen, die vermutlich selbst vor kurzem noch Waffen mit Hilfe der USA erhalten haben.
  • Zweitens liefert Washington jetzt Waffen an einen Staat, der mit Baschar al-Assad verbündet ist und für dessen Sturz die USA eigentlich Waffen an die syrischen Rebellen geliefert hatten.

Wie gesagt: Waffenexporte funktionieren nicht…

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